Der Altmarkrundkurs führt durch eine der ältesten Kulturlandschaften Deutschlands. Der Fernradweg verbindet acht Hansestädte, romanische Kirchen, Schlösser und gemütliche Dörfer. Dazu begeistern die Naturschätze der Altmark: die Weite der Elbauen, die Altmärkische Schweiz mit ihren Hügeln und der Arendsee, der gern auch »Perle der Altmark« genannt wird.

Fahnen flattern im Wind, Möwen kreischen und unten am langen Steg blubbert ein schwerer Bootsmotor. Das hat schon maritimes Flair, dabei sind wir mitten im Binnenland. Die breite Mündung der Tanger in die Elbe ist zu einem Hafen ausgebaut worden, an den Landungsstegen liegen Fahrgastschiffe und auf dem Ufer flanieren die Menschen. Jenseits der Wasserfläche zieht sich die gewaltige Stadtmauer mit mehreren wehrhaften Toren hin. Die alte Kaiser- und Hansestadt Tangermünde kann auf eine 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Ihre Backsteinarchitektur, die Burganlage und die Vielzahl der Fachwerkhäuser verleihen der Altstadt einzigartigen Charme.
Wir aber lehnen uns zurück, schütteln die Beine und nehmen nach 110 Tageskilometern einen großen Schluck aus den Trinkflaschen. Drei erlebnisreiche Gravel-Tage auf dem Altmarkrundkurs liegen hinter uns, wir sind zurück am sandigen Ufer der Elbe.
Die Altmark lockt

Die Altmark ist eine jahrhundertealte liebenswerte Kulturlandschaft. Auf ausgebauten Radwegen und verkehrsarmen Ortsverbindungsstraßen führt der gut ausgeschilderte Altmarkrundkurs mitten hindurch. Allein acht Hansestädte liegen entlang der 460 km langen Gesamtstrecke, dazu rollt man an romanischen Kirchen, Klöstern und prächtigen Schlössern vorbei. Eingebettet sind die malerischen Altstädte in herrlich offene Landschaften. Die weiten Auen der Elbe, die Havelniederung mit dem Elb-Havel-Winkel, die Altmärkische Schweiz mit Ihren sanften Hügeln oder die Naturparklandschaften des Drömlings bieten eine abwechslungsreiche Kulisse für schöne Radtouren. Mit nur geringen Steigungen und radfahrfreundlichen Gastgebern ist die Strecke ein echter Tipp in der gut zu erreichenden Region zwischen Berlin, Hannover und Hamburg.
Im Storchendorf
Gestartet sind wir im Dörfchen Beuster nördlich von Seehausen. Auf dem Deich geht es durch das UNESCO-Biosphärenreservat Mittelelbe. Problemlos passieren wir die Baustelle der künftigen A 14, die sich ein paar hundert Meter nördlich bereits im kühnen Bogen über die Elbe spannt. Wir aber folgen lieber dem Deich, der herrliche Blicke auf den Fluss bietet. So rollen wir in Wahrenberg hinein und werden von den neugierigen Blicken eines Storchenpaars hoch oben auf ihrem Horst begleitet. Der Titel »Storchendorf « kommt nicht von ungefähr: Mehr als 20 solcher Nistplätze befinden sich im Ortsgebiet. So passiert es, dass im Hochsommer auf vier Einwohner etwa ein Storch zu zählen ist. An einem Bauernhaus an der Deichkante entdecken wir derweil ein in den Querbalken geschnittenes Spruchband: »Gott sorgt für mich, was will ich sorgen. Er ist mein Vater, ich sein Kind.« Wir nehmen unsere Geschicke lieber selbst in die Hand.
Die Perle der Altmark

Durch die Aland-Elbe-Niederung führt uns der Kurs über Wanzer und Böhmenzien nahe an der alten innerdeutschen Grenze Richtung Arendsee. Im Dörfchen Harpe lädt uns der alte »Gasthof Lindenkrug« zur Rast ein. Es gibt Kaffee und hausgebackenen Kuchen. Auf Forstwegen geht es weiter, bis zwischen den Bäumen erstmals die Wasserfläche des Arendsees hindurchglitzert. Nicht zufällig trägt der 550 Hektar große See den Beinamen »Perle der Altmark«. Ebenso wie der staatlich anerkannte Luftkurort sind die Seeufer ein Paradies für Naturfreunde. Während die »Queen Arendsee« im Stile eines Mississippi- Dampfers an uns vorbeischippert, machen wir auf einem Anglersteg Pause, lassen Beine und Seelen baumeln.
Im Baumkuchenland
Vorbei am ehemaligen Benediktinerinnen- Kloster rollen wir am Ufer des Arendsees aus dem Ort heraus. Auf gut fahrbaren Wegen über die einst im direkten Grenzland liegenden Dörfer wie Schrampe, Kaulitz oder Mechau nähern wir uns dann Salzwedel. Als »Stadt des Baumkuchens« eilt ihr ein großer Ruf voraus, tatsächlich hat der Baumkuchen dort seit 1807 Tradition, die heute zuvorderst durch die »Erste Salzwedeler Baumkuchenfabrik « fortgeführt wird. Dazu gibt es in der Altstadt mehrere Manufakturen und verführerische Baumkuchen-Cafés.

Entlang des Grünen Bandes
Am Morgen des zweiten Tages führt der Kurs durch mehrere Dörfer im ehemaligen Sperrgebiet. Dort liegt teils noch historisches Rundkopf-Pflaster. Wir freuen uns über das kurzzeitige Gehoppel, bemerken auch leerstehende Höfe und freuen uns auf den erste Kaffee im Heimatmuseum Diesdorf. Danach folgen wir wieder dem Grünen Band. Von den ehemaligen Grenzanlagen sieht man in diesem Abschnitt nichts mehr, selbst die alten Kontrollwege aus Maschenbeton wurden rückgebaut. Wer genug Zeit und Ruhe mitbringt, kann im heutigen »Naturschutzgebiet Ohreaue« dafür eine große Zahl seltenen Vogelarten beobachten: Greifvögel wie den Rotmilan und den Fischadler, oder Schreitvögel wie Kranich, Weiß- und Schwarzstorch.
Durch die Altmärkische Schweiz
Aus dem Wald hinter Klötze kommend, rollen wir in ein liebliches Tal. Das Bächlein Bäke wird hier zum Stausee Schwiesau. Es ist ein willkommener Ort für eine Rast, denn vor uns liegen die Anstiege der Altmärkischen Schweiz. Von wegen, die Altmark ist nur flach: Höchste Erhebung der umliegenden Hellberge ist der 148 Meter hohe Stakenberg. Dass der Wald hier so prächtig wächst, ist Kreishauptmann Johann Christian Solbrig (1778-1850) zu verdanken, der ab 1820 um sein Gut Zichtau einen prächtigen Landschaftspark zu pflanzen begann und dort »an den sanftesten Bergen und lieblichsten Gründen «, wie sein Verwalter einst schrieb, Fischteiche und ‚Lust-Wanderwege’ anlegte.
Eine humoristische Begegnung
Am Nachmittag erreichen wir Gardelegen. Die Einfahrt nehmen wir über das Salzwedeler Tor mit seinen beiden mächtigen Batterietürmen. Es ist das letzte von einst vier Stadttoren, auch von der Stadtmauer sind nur noch Reste erhalten, die man während eines Bummels durch die heute parkähnlichen Wallanlagen besichtigen kann. In den eng gewundenen Gassen der Altstadt haben wir eine Begegnung mit Otto Reutter. Die Melone auf dem Kopf, steht der berühmte Sohn der Stadt dort in Bronze gegossen. Als einer der großen deutschen Humoristen schrieb er Anfang des 20. Jahrhunderts unnachahmlich- herrliche Couplets wie »Wir Männer hab’n’s viel besser als die Frau’n« oder »Wir lieb’n uns zu sehr« und wurde damit deutschlandweit bekannt.
Bei den Zisterzienserinnen
Die Sonne lacht am neuen Morgen. Wenige Kilometer hinter Gardelegen, zwischen Jävenitzer Moor und den Kellerbergen, liegt Kloster Neuendorf. Das um 1200 gegründete Zisterzienserinnenkloster gehörte einst zu den reichsten Frauenklöstern der Altmark. Bis in unsere Zeit haben sich die schlichte Backsteinkirche mit dem niedrigen Kreuzgang und einzelne Klausurgebäude erhalten. Schönster Schmuck des Kirchleins sind die kunstgeschichtlich bedeutsamen Buntglasfenster.
Dann geht es munter weiter: Durch dichte Forste, vorbei am »oktogonalen« Wegweiser und auf alleeartig schönen Feldwegen überqueren wir erstmals die Tanger, unterqueren bei Lüderitz die hier schon fertige A 14 und nähern uns nach der fröhlichen Begegnung mit einer neugierigen Alpaka-Herde dem Stadtrand von Tangerhütte.
Umweht von Industriegeschichte
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnete im damaligen Dorf Vaethen eine beständig größer werdende Eisengießerei. Anders gesagt: Ohne die Gießerei gäbe es die Stadt Tangerhütte nicht. Bis heute gibt das Eisenwerk den Menschen Arbeit. Direkt neben den Backsteinfassaden alter Gießereihallen grenzt der Schlosspark an. Das Schloss samt Schlossteich und Wasserfall hatte sich Hüttenbesitzer Wagenführ vor 150 Jahren ebenso errichten lassen.
Bei den Bismarcks
Kurz hinter Tangerhütte erreichen wir den Gutspark Briest. Ein Ensemble aus Gutshaus, Brauhaus, Wirtschaftshof und einer Kapelle bildet den ältesten Stammsitz der Familie von Bismarck in der Altmark und beherbergt über 600 Jahre Familiengeschichte. Das Herrenhaus im Stile der Spätrenaissance spiegelt sich gern im Wasser des malerischen Teichs.
Vierzig Höhenmeter

Hinter Demker zweigt der Kurs nordwärts in einen kleinen Höhenzug um den 91 Meter hohen Pastorberg ab. Auf 1,5 Kilometer Strecke müssen auf einem Singletrail 40 Höhenmeter überwunden werden. Die Beine brennen, als wir auf dem »Gipfel« Pause machen. Der Platz ist eine Entdeckung, sieht man doch in der Ferne die Stadtsilhouetten von Stendal (ca. 10 km) und Tangermünde (ca. 8 km), im Süden hebt sich gut 25 Kilometer entfernt der 120 Meter hohe Salzberg Kalimandscharo aus der Landschaft heraus.
500 Jahre Stendaler Roland
Unter der ICE-Strecke Hannover-Berlin hindurch erreichen wir den Stadtrand von Stendal. Die Hansestadt ist mit gut 38.000 Einwohnern die größte Stadt in der Altmark und sowohl auf den Gleisen als auch bei den Straßen ein Verkehrsknotenpunkt. Die über tausendjährige Stadt weiß mit einer verwinkelten Altstadt zu gefallen, allen voran der Marktplatz mit den beeindruckenden Türmen der Ratskirche St. Marien und zu ihren Füßen der drittgrößte Roland Deutschlands, der 2025 auch noch seinen 500. Jahrestag seiner Aufstellung vor der Gerichtslaube feiert. Über den nordöstlichen Stadtrand rollen wir nach Arneburg und sind zurück an der Elbe. Von hier sind es nur noch ein paar Kilometer bis nach Tangermünde.
Hinüber in den Elb-Havel-Winkel
Für uns ist an der schönen Tangermündung nach dem langen Wochenende Schluss. Dabei gäbe es noch mehr zu sehen: etwa das im Stil mittelalterlicher Backstein-Gotik erbaute Kloster Jerichow mit seinem verwunschen schönen Klostergarten, die teils auf einer Flussinsel stehende Wasserstadt Havelberg von der man per Elbfähre vom Elb-Havel-Winkel wieder hinüber in die Altmark wechselt, der einzigartige Charakter von Werben als »kleinster Hansestadt der Welt« oder auch der historische Stadtkern von Osterburg. Aber wir werden wiederkommen, soviel ist sicher.
DER ALTMARKRUNDKURS
- 460 km langer Radfernweg durch die Altmark und den Elb-Havel-Winkel
- Städte an der Strecke: Havelberg, Werben, Osterburg, Salzwedel, Klötze, Gardelegen, Tangerhütte, Stendal, Arneburg, Tangermünde, Jerichow und Genthin
- Geeignet für Gravel, Tourenrad oder E-Bike
- Offizielle Website: www.altmark-rundkurs.de