Zwei Jahrhunderte nach Johann Wolfgang von Goethes Aufbruch nach Italien machen sich Patricia Wohlgemuth und Markus Kirchgessner selbst auf den Weg – mit dem Fahrrad statt mit der Kutsche. Ihre Reise von den Alpen bis Sizilien zeigt, dass Goethes Sehnsucht nach dem Süden noch immer lebendig ist.

Wir haben uns mit Goethe zusammengetan. Vor gut 240 Jahren bereiste Johann Wolfgang von Goethe zwei Jahre lang Italien und schrieb ein umfangreiches Tagebuch, das den Titel »Italienische Reise« trägt. Sehnsüchtig und schwelgerisch fragte Goethe damals: »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?« Auch nach zwei Monaten mit dem Fahrrad, einmal den ganzen Stiefel hinunter bis nach Sizilien, kennen wir es vielleicht ein bisschen und wissen umso mehr, wie viel es in Italien noch zu entdecken gilt.
Goethes Strecke von damals schien sehr gut geeignet, um sie mit dem Fahrrad nachzufahren. So wurde sie zur Grundidee und zeichnete einen großen Teil der Reiseroute vor. Wir fädelten die Orte, die auch Goethe damals bereiste, nacheinander auf: vom Brenner über Bozen, den Gardasee, Verona, Bologna, Florenz bis Rom.
Sein damaliges Reisetempo per Pferdedroschke schien uns mit dem Gravelbike durchaus erreichbar. Wir würden die Natur, die Menschen und Orte in einem ähnlich ruhigen Film an uns vorüberziehen lassen, wie Goethe es erlebt haben könnte.
Goethe verließ seinerzeit fast fluchtartig Weimar. Heute vermutet man, dass ein Burnout ihn in die Ferne trieb. Ich selbst hatte Bedenken, meine Arbeit in Deutschland auch nur für zwei Monate hinter mir zu lassen. Doch eine Erkenntnis ermutigte mich: Das Leben ist unbezahlbar. Ich gönne mir lieber eine Pause, damit ich später, wenn ich älter bin, noch arbeiten kann.
Wo die Reise beginnt
Bei Schneeregen und bescheidenen vier Grad starten wir am Brenner und ziehen zunächst einmal alle Kleiderschichten übereinander an. Der Empfang am Brenner ist dennoch herzerwärmend: Mein Sohn Camillo steht am Gleis und lotst uns den Pass hinunter, an Felswänden entlang und durch saftig grüne Auen bis nach Bozen. Dort stellt er uns für unsere erste Übernachtung auch sein Bett in einer Studenten-WG zur Verfügung. Ich friere und ich freue mich. Neben Goethe und Camillo wird auch unser Freund Mario ein wichtiger Begleiter sein. Später im Süden wird er einige Tage mit uns radeln. Bis dahin steht er uns oft telefonisch hilfreich zur Seite.
Er empfiehlt uns, Zeit in Padua zu verbringen, einer quicklebendigen Studentenstadt, in der sich die zweitälteste Universität Italiens befindet. Im Botanischen Garten Paduas betreten wir Pfade, auf denen auch Goethe schon wandelte und tiefschürfend nachdachte. Eine ganz bestimmte Fächerpalme bewegte ihn damals zu steilen Thesen. Die Chamaerops humilis, auch Zwergpalme genannt, existierte bei Goethes Besuch bereits seit über 200 Jahren. Sie entsprach damals in Wuchs und Länge noch mehr dem Wesen eines Zwerggewächses und war bereits zu Goethes Lebzeiten sehr alt. Noch heute lebt sie in einem ungewöhnlich hohen Glashaus, in dem sie aufgrund ihrer mittlerweile opulenten Größe etwas eingesperrt wirkt. Sie macht mir klar, dass mich nur ein Steinwurf von Goethes Leben trennt.
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