Wo das Rad neu erfunden wird

Die saarländische Firma by,schulz entwickelt Bike-Komponenten

Innovative Bike-Produkte, die das Leben von Fahrradfahrern leichter machen, sind das Ziel des saarländischen Unternehmens by,schulz. Die Bike&Travel-Autorin Luzia Pesch hat in der Firmenzentrale in Saarbrücken hinter die Kulissen geschaut und den Marketing-Leiter Stefan Kalweit interviewt.

TEXT / BILDER: LUZIA PESCH

Georg Kotschnew öffnet eine Schublade des meterlangen Apothekerschranks. »Das ist unser Archiv«, erklärt er und zeigt mir 3D-Druckmodelle von verstellbaren Vorbauten. Die Sammlung gleicht einem Museum. Er schmunzelt über das eine oder andere Bauteil. Es sind teils einmalige Stücke, die so nie gefertigt und verkauft wurden. Prototypen mit »Kinderkrankheiten«, die die Entwicklung zur finalen Version anschaulich und nachvollziehbar dokumentieren.

Georg Kotschnew ist der Leiter der Konstruktionsabteilung von by,schulz. Vor den unzähligen Schubladen sitzen die Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung an mehreren Bildschirmen. Darauf sind Querschnitte der Komponenten zu sehen, die sich derzeit in der Neu- oder Weiterentwicklung befinden. Mit neuester CAD-Software (»computer-aided design«) werden Ideen auf den Weg gebracht, bis sie nicht mehr in den Schubladen des Apothekerschrankes landen, sondern ausgereift am Fahrrad.

MIT DEM SPEEDLIFTER FÄNGT ES AN
Im vergangenen Jahr hat das Team um Firmengründer Markus Schulz das 25-jährige Jubiläum des Speedlifter Classic gefeiert. Er ist das Aushängeschild von by,schulz und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Ganz ohne Werkzeug kann die Höhe des Lenkers sekundenschnell mittels Schnellspannhebel angepasst werden. Die Twist-Version erlaubt zusätzlich die Drehung des Lenkers um 90 Grad, sodass das Fahrrad platzsparend verstaut werden kann, sei es auf dem Radträger, im Zug oder in der Garage. Eine geniale Idee, die sich by,schulz beim Vorbau »Stem Twist« patentieren ließ.

Mittlerweile umfasst das Sortiment Lenker, Vorbauten mit Vorrichtungen für Anbauteile (SDS: »Stem Docking System«), in Parallelogramm-Bauweise gefederte und absenkbare Sattelstützen, aber auch Kleinigkeiten wie Ventiladapter für den Schlüsselbund und Spezialwerkzeuge. Neu im Programm ist ein mobiler Montageständer für Profi-Werkstätten, der mit akkubetriebenem Zahnriemenantrieb auch E-Bikes mit bis zu 60 Kilogramm Gewicht zum Schrauben hochheben kann. Er wurde bei der Eurobike-Messe 2021 präsentiert.

AUS LEIDENSCHAFT FÜRS FAHRRAD
Der Gründer Markus Schulz ist selbst leidenschaftlicher Radfahrer. Das sieht man auch in der Firmenzentrale in Saarbrücken. Eine regelrechte Ausstellung unterschiedlicher Fahrräder vom Falt- bis zum Titanrad reiht sich vor den Schreibtischen auf. Lange Radreisen mit allerhand Gepäck haben ihn und damit das Unternehmen geprägt. »Ich würde keine Komponente auf den Markt bringen, die ich nicht selbst auf meinen Radtouren gerne fahren würde«, sagt er. »Das heißt Funktion, Zuverlässigkeit und hohe Qualität müssen meinen Ansprüchen genügen. Nur dann kann ich das auch anderen Radfahrern mit ruhigem Gewissen empfehlen.«

Die ersten Ideen kamen dem ausgebildeten Zweiradmechaniker oftmals bei der Arbeit mit Kunden und Kundinnen im damaligen eigenen Fahrradladen mit Werkstatt. Daraus resultierten die Produkte und die spätere Firmengründung.

Das Unternehmen wächst kontinuierlich. Im Jahr 2018 ist es in ein größeres Gebäude in einen Außenbezirk von Saarbrücken gezogen: ein Sprung von 350 auf über 1.000 Quadratmeter. »Wir sind in unserem Laden in der Stadt an Kapazitätsgrenzen gestoßen«, erzählt Robert Koch als einer von drei Geschäftsführern. Seine Begeisterung fürs Fahrrad kann man schon am T-Shirt ablesen. »Das ist ein alter Zentrierständer für Laufräder«, erklärt er. Mittlerweile beschäftigt die Firma mehr als 20 Personen. Schulz hat ein dynamisches Team mit einer guten Mischung aus erfahrenen und jungen Mitarbeitern um sich geschart. Die Atmosphäre in dem hohen, hellen Gebäude wirkt entspannt und gleichzeitig arbeitsam.

PRDUKTIONSSTANDORT TAIWAN
Zusammen mit Stefan Kalweit erklimme ich ein paar Stufen und öffne die Metalltür zum Lager. Er leitet das Marketing und ist für das Grafikdesign verantwortlich. In der Halle stehen Regale mit braunen Kartons, die bis fast unter die Decke reichen. »Für morgen ist ein Container aus Asien angekündigt«, sagt er. Das Schiff mit der ersehnten Lieferung verbringt zwischen sechs und acht Wochen auf hoher See. Bis die Komponenten es dorthin schaffen, braucht es viele Absprachen und die Herausforderungen einer internationalen Lieferkette müssen bewältigt werden.

Seit dem Jahr 2000 wird in Fernost gefertigt. Das liegt weniger an den Produktionskosten als an der Logistik. Die größten Fahrradhersteller der Welt sind dort schon jahrzehntelang angesiedelt und benötigen die Komponenten schnell und direkt vor Ort. Einige Hersteller orientieren sich wieder Richtung Europa, bedingt durch die Unterbrechung der Lieferketten während der Pandemie. Das ist eine Entwicklung, die es für das mittelständische Unternehmen aus dem Saarland zu beobachten gilt.

Sobald die Lieferung ankommt, heißt es wieder Kisten ausladen, sortieren und ganz wichtig: auf Herz und Nieren prüfen. Linda Hoffmann ist mit ihren Kollegen für die Qualitätskontrolle verantwortlich. Sie steht zwischen verschiedenen Geräten und legt die Feder einer Sattelstütze in den Prüfstand: »Ich messe die Federkonstante in Kilogramm pro Newtonmeter«, erklärt sie. An anderen Stellen wird im Mikrometer-Bereich gemessen. Wenn sie oder die Kollegen ihr OK gegeben haben, kleben sie einen Aufkleber mit grüner Schrift auf die Kartons und geben die Komponenten für den Verkauf frei.

Dann geht es an den Tischen der Verpacker und Verpackerinnen weiter, die die bestellte Ware verschicken. Einige Radhersteller setzen direkt beim Zusammenschrauben ihrer Kompletträder auf by,schulz-Komponenten. Außerdem vertreibt die Firma ihre Produkte über namhafte Großhändler und setzt auf ein deutschlandweites Netzwerk an Fahrradhändlern. Für Endkunden gibt es seit 2020 einen offiziellen Onlineshop. In Saarbrücken werden außerdem Reparaturen und Wartungen durchgeführt.

NACHHALTIGKEIT UND ENGAGEMENT
Wo es möglich ist, achtet die Firma auf Nachhaltigkeit. Bei den vor Ort designten Verkaufsverpackungen aus Kartonage verzichtet sie ganz bewusst auf Plastik. Der Kartonzulieferer ist ein lokaler Partner und erspart lange Lieferwege. Zum Sortiment gehört auch eine recycelbare Trinkflasche, die zu 95 Prozent kompostierbar ist.
Statt geringem Gewicht wird Robustheit großgeschrieben. Durch modernste Fertigungstechnik, wie das 3D-Schmieden, entstehen hochbelastbare Komponenten. Daher bekommt by,schulz immer wieder Anfragen von Radreisenden, die sich bei langen Touren auf ihr eingesetztes Material verlassen können müssen. Aktuell unterstützt die Firma das Projekt »Zürich to Zürich«. Auf dem Solarrad wollen zwei junge Schweizer in sechs Monaten die Welt umrunden und lange Etappen etwas bequemer im Sattel bewältigen. Mit dabei: die gefederte Sattelstütze und Cockpit-Teile von by,schulz.

Stefan Kalweit und Georg Kotschnew sind sich einig, dass der Firma und speziell Markus Schulz die Ideen nicht ausgehen werden. »Markus sagt dann oft: Gestern beim Radfahren habe ich noch mal darüber nachgedacht, dass wir da noch eine Kleinigkeit verändern müs-sen«, erzählt Georg Kotschnew. Man kann gespannt sein, welche Innovationen aus dem Hause by,schulz in Zukunft Fahrradfahrer und -fahrerinnen beglücken.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 6/2022 des Bike&Travel Magazins.
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