Ok: Luxemburg ist klein. Nicht aber das Wanderwegenetz im Großherzogtum. Besonders der Mullerthal-Trail bietet mehr als genug Abwechslung. Und zwar für tagelange Touren zwischen bizarren Sandsteinkliffs, tiefen Schluchten und überraschend einsamen Wäldern.
Vorurteil Nummer eins: Luxemburg ist platt. »Ihr seid nicht die ersten, die hierherkommen und das glauben – und sich gewaltig irren«, sagt Ferdy Adam, ein Freund aus Luxemburg-Stadt, als er uns zum Auftakt unseres Wandertrips ins Großherzogtum erst mal seine Heimat zeigt. Einmal rundum blicken genügt, um das Gegenteil zu beweisen: Wir stehen auf einer Anhöhe im EU- und Bankenviertel. Gegenüber thront die Altstadt auf einem Felsplateau. Dazwischen hat sich die Alzette über Jahrtausende ins Gestein gefressen und ein tief eingeschnittenes Flusstal geschaffen.
»Luxemburg ist nicht platt«, sagt Ferdy: »Die Berge sind bloß nicht hoch. Es sind halt eher liebliche Hügel.« Jedenfalls auf den ersten Blick. Denn die fehlenden Höhenmeter machen sie durch andere Qualitäten mehr als wett. Die luxemburgische Dauerwelle ist nämlich von Tälern und Schluchten durchzogen, schwärmt Ferdy. »Und das macht das Land fürs Wandern oder Biken so interessant!« Oben welliges Hügelland, doch eine Etage weiter unten haben sich Flüsse wie Alzette, Our, Sauer oder Schwarze Ernz in den Untergrund eingegraben und schroffe Felsschluchten aus dem Gestein gehobelt.
Luxemburg ist außerdem zu über einem Drittel mit Wald bedeckt, wie Ferdy sagt. »Mehr als Deutschland und bloß zwei Prozent weniger als Kanada.« Mit Zahlen kennt er sich aus; wenn er nicht gerade Besucher durch seine Heimat führt, arbeitet er als Ökonom bei der staatlichen Statistikbehörde und kennt deswegen alle mög-lichen spannenden Fakten über Luxemburg.
Die nächsten vier Tage wollen wir den östlichen Teil des Landes näher kennenlernen. Womit wir direkt bei Vorurteil Nummer zwei wären: Das Großherzogtum Lëtzebuerg sei klein. Klar, flächenmäßig ist Luxemburg nach Malta der zweitkleinste Staat der Europäischen Union, aber die Vielfalt der Landschaften ist dafür ziemlich groß. Besonders spannend ist das Mullerthal im Osten an der Grenze zu Deutschland.
EINE REGION, VIELE SUPERLATIVE
Wir sind gespannt, schließlich hatte Ferdy vorab am Telefon nicht mit Superlativen gespart: Bizarre Sandsteinfelsen! Labyrinthische Klüfte! Tiefe Schluchten! Fantastisch, mythisch, geheimnisvoll! Und da das Mullerthal auch »Kleine Luxemburgische Schweiz« genannt werde, sei ja klar, dass sich dort mehr verbirgt als ein paar Täler und ein bisschen Wald. Die Vielfalt und Schönheit der Wanderwege seien jedenfalls »einzigartig«.
Das Mullerthal ist vor allem eines: unfassbar grün. Mittendrin im Urwald: Sandsteinfelsen, an denen seit Jahrtausenden der Zahn der Zeit nagt. Wobei die korrekte Bezeichnung für die Gegend Mullerthal-Region lautet. »Früher war das Mullerthal tatsächlich nur ein einziges Tal, das seinen Namen den vielen Getreidemühlen entlang der Schwarzen Ernz verdankte«, weiß Ferdy. Heute ist damit die gut 200 Quadratkilometer große Region zwischen Echternach, Beaufort und Larochette gemeint.
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