Wer in der Femundsmarka unterwegs ist, trekkt nicht nur durch ein großes, grenzüberschreitendes Wildnisgebiet in Ostnorwegen. Man taucht auch ein in die Lebensphilosophie der Menschen hier: Friluftsliv.

Wellen plätschern gegen die Holzbohlen. Über dem hellen Rumpf der Fæmund II zappelt die norwegische Flagge, als wolle sie aufgeregt sagen: Freu dich, gleich beginnt dein Abenteuer. Das Fährschiff schiebt sich zurück auf den Femundsee. Über sechzig Kilometer streckt sich Norwegens drittgrößter See parallel zur schwedischen Grenze. Zwischen dem Örtchen Elgå, wo die Straße endet, und dem nördlichen Ufer pendelt die Fæmund II im Sommer jeden Tag einmal hin und her. An acht Haltepunkten nimmt sie Passagiere auf und setzt andere am Ufer ab. An Deck stapeln sich Rucksäcke, Paddel und Angeltaschen. Das Schiff schlägt eine Brücke in die Wildnis.
Auf dem Steg des Anlegers Røa lässt es diesmal zehn Personen zurück. Sie schnüren ihre Wanderschuhe, schultern die Rucksäcke und stiefeln los: mitten in die Einsamkeit des Nationalparks Femundsmarka. Er gehört zum »Gränslandet«, in dem sich neun schwedische und norwegische Schutzgebiete zu einem Wildnisgebiet verbinden, etwas größer als der Kreis Nordfriesland. Es gibt kaum bewirtschaftete Hütten. Selbst zur Hochsaison trifft man nur Wenige. Und die mögen es still.
Vom felsgesäumten Ufer geht es hinauf in den Wald. Birken, Fichten und Kiefern stehen weiter auseinander als in unseren Wäldern. Sie stemmen knorrige, verdrehte oder schiefe Stämmchen aus dem Boden. Wo er nicht von Gesteinsbrocken durchsetzt ist, decken ihn Moose, Beerensträucher, Farne zu. Entgegen den schäumenden Stromschnellen des Flusses Røa dringt die Gruppe tiefer vor in die Wildnis der Femundsmarka.
Es heißt, Gott habe die Gebirgsgegend im Zorn geschaffen. Um den Schaden zu beseitigen, füllte er später die meisten Löcher mit Wasser. So besteht sie zu einem Zehntel aus Seen, Flüssen und moorigen Stellen. Nasse Füße sind also vorprogrammiert. Rundliche Kuppen buckeln maximal 1.500 Meter auf. Nicht die höchsten Berge Norwegens, dennoch lassen sie weit blicken. Dank der baumlosen Weite, dem Fjell. Das Pflanzenkleid ähnelt dem unserer alpinen Höhenstufe, die im kälteren Norden aber viel weiter unten beginnt. Schon auf knapp 800 Metern Höhe kommt der Wald an seine Grenze.
Norwegisches Kulturgut: Friluftsliv
An der Spitze läuft Tore Stengrundet. Ein großgewachsener Norweger, sein Rucksack wiegt an die vierzig Kilo. Mit jedem Schritt führt der Guide seine Gruppe aber auch tiefer in ein norwegisches Lebensgefühl: Friluftsliv – Leben an der freien Luft. Damit kennt Tore sich bestens aus. Die meisten in Norwegen identifizieren sich mit dem kulturellen Erbe, mit dem sie sich von den gut 400 Jahre herrschenden Dänen abgrenzten. Henrik Ibsen verwendete den Begriff 1859 erstmals in seinem Gedicht »Auf der Hochebene«. Volksidole wie Polarforscher und Grönland- Durchquerer Fridtjof Nansen untermauerten ihn mit Aussagen wie »Der Mensch gehört in die Natur.«
…
Jetzt weiterlesen!
Den vollständigen Artikel mit beeindruckenden Bildern, Unterkünften, An- & Abreiseinfos sowie Einkehrtipps finden Sie im trekking-Magazin 07/2025.
Jetzt im Online-Shop entdecken »
#2399 #wir_leben_outdoor