Im Reich der Steinböcke – Wandern auf der Via Capricorn

Im Mittelpunkt der Via Capricorn steht der König der Alpen – der Alpensteinbock. Die dreitägige Bündner Rundwanderung führt mitten durch das Revier der Steinbockkolonie am Piz Beverin.

TEXT/BILDER: ERIK VAN DE PERRE

Der Alpensteinbock (Capra ibex) gehört zur Schweiz wie das Bier in die Kneipe. Dabei war es einst fast um das Wappentier Graubündens geschehen. Durch die intensive Bejagung war das Steinwild zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Alpenraum nahezu verschwunden. Nur im Gran-Paradiso-Massiv, im geschützten Jagdgebiet des Hauses Savoyen, überlebte eine Restpopulation von rund 100 Tieren, die bis Ende des 19. Jahrhunderts wie-der auf 3.000 Tiere anwuchs.

Mehrere Gesuche der Schweiz, einige Steinböcke umzusiedeln, um eine eigene Kolonie zu gründen, blie-ben jedoch unbeantwortet. Erst 1906 gelangten einige Exemplare auf verschlungenen Wegen in die Schweiz, wo eine erfolgreiche Zucht begann. Heute leben wieder 18.000 Steinböcke bei den Eidgenossen, rund 7.000 da-von in Graubünden.

Die Kolonie Safien-Rheinwald ist eine der rund 20 Steinbockkolonien in Graubünden. Sie umfasst rund 350 Tiere, die in den Bergen zwischen Piz Beverin und Alperschälli leben. Eine gute Gelegenheit, sie zu sehen, bietet eine Wanderung auf der Via Capricorn. Der im Sommer 2005 eröffnete Rundwanderweg führt über den Glaspass ins Safiental und über die Farcletta digl Lai Grand zurück nach Wergenstein. Aus logistischen Grün-den gehen wir den umgekehrten Weg. Wir, das sind der Berliner Filmemacher Carsten, die Journalistin Andrea und der Fotograf Thomas aus München sowie ich. Be-gleitet werden wir von Thalia (Graubünden Ferien) und Christina (Naturpark Beverin).

VERWÜNSCHTE FETTWEIDEN
Sobald ich die Tür des Hotels »Capricorns« in Wer-genstein aufstoße, weht mir der Duft von frischem Heu um die Nase. Ein würziger Cocktail aus Kräutern und Blumen, so intensiv, wie man ihn nur in den Bergen er-lebt. Dazu erklingt in der Ferne das Bimmeln von Kuh-glocken. Erinnerungen an meine Kindheit werden wach. Erinnerungen an unzählige Wanderferien in den Bünd-ner Bergen. Markierte Wanderwege gab es damals auch.

Was es noch nicht gab, waren Wanderbusse, mit denen man unnötige Höhenmeter vermeiden konnte. Heute verkehren allein im Naturpark Beverin sieben solcher Wanderbusse. Einer davon, der Bus alpin Beverin, bringt uns nun in einer halben Stunde von Wergenstein, einem kleinen Bergdorf im Val Schons, zum Wanderparkplatz Tguma, 800 Meter höher.

Die Luft auf 2.300 Metern ist angenehm kühl. Eine leichte Brise weht über die weite, grasbewachsene Hochebene, bevölkert von Hunderten von Kühen. Die Alp Anarosa ist mit einer Weidefläche von 2.700 Hektar die größte Alp Graubündens. Und sie scheint sich gut erholt zu haben. Von einem Fluch!

Die Legende besagt, dass das Gras auf der Alp Anarosa so saftig war, dass die beiden Schwestern Anna und Rosa, die Besitzerinnen der Alp, das Vieh dreimal täglich mel-ken mussten. Als sie eines Tages wegen eines Besuchs im Tal ihre Arbeit vergaßen, platzten die Euter ihrer Tiere. Die Schwestern waren dadurch so wütend, dass sie die Alp verfluchten, so dass die Weiden verdorrten.

Die Kühe scheinen von der Geschichte nur mäßig be-eindruckt. Andere Bewohner der Alp zeigen sich aufge-regter. Lautes Pfeifen verrät, dass wir eine riesige Kolonie von Alpenmurmeltieren durchqueren. Einige der bis zu 50 Zentimeter langen Nagetiere sonnen sich auf einem Felsen, andere wuseln nervös umher oder verschwinden in ihren langen Fluchtröhren, als wir uns nähern.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 9/2024 des trekking-Magazins.
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